Erschienen am Dienstag, 11. November 2014
Anlass: Festival der Kulturen
Von Bernd Heiden
Dass das Sindelfinger Kulturleben seinen schwäbischen Kerngehalt mit Männergesang, Spätzle und gemischtem Braten seit Jahrzehnten um unzählige Facetten erweitert hat, nicht zuletzt wegen seiner vielen Mitbürger ohne schwäbische Wurzeln, das bestätigt Jahr für Jahr das internationale Straßenfest. Aber muss man eigentlich immer auf diese Riesensause warten?
Muss man nicht. Das von der IG-Kultur und der Integrationsbeauftragten der Stadt Sindelfingen, Ulrike Izuora, organisierte kleine Festival der Kulturen lässt erahnen, aus wie vielen Strängen sich der Gesamttext zusammenfügen würde, der den Titel Sindelfinger Kultur tragen dürfte. Doch selbst das knapp vierstündige Festival versammelte ein lediglich winziges Spektrum hier herrschender kultureller Mannigfaltigkeit.
„Uns gibt es seit fünf Jahren“, sagt Diana Duraku und erzählt etwas über die Aktivitäten der albanisch verwurzelten Sindelfinger. Sie ist gemeinsam mit Marigona Morina Leiterin der Volkstanzgruppen des albanischen Kulturvereins Isa Boletini. Im Trachtenornat der Südkosovo-Region Prizren mit roten Schürzen, Jäckchen und weißen Röcken zeigen im Pavillon fünf junge Damen traditionellen Tanz, bei dem sich das Gesamtensemble immer wieder auflöst in Kleingruppen bis zu kleinen Soli.
Ein Teil hat das Haar bedeckt, andere tragen es frei: Zeichen für das Miteinander von islamischer und katholischer Tradition, die in Albanien gelebt wird. Später erklärt Diana Duraku, dass Isa Boletini derzeit nicht ganz die albanische Volkstanztradition abbilden könne: Anders als der Pavillonauftritt suggeriert, ist in Albanien Volkstanz keine reine Frauenangelegenheit. Aber die im alten AOK-Gebäude freitags trainierende Truppe suche junge Männer, wurscht ob mit oder ohne albanische Wurzeln.
Kommt als Hintergrundmusik für Isa Boletini mediterran-orientalisch anmutende Musik aus den Boxen, klingt der Beitrag aus Slowenien für hiesige Ohren reichlich vertraut. „Das ist wie Bayern“, kommentiert eine Zuhörerin, was das in Leder-Kniebundhosen gekleidete Trio mit Robert Jereb (Klarinette), Peter Jereb (steirische Harmonika) und Tubist Günther Bruhn bietet: Polka, Ländler und Walzer.
Assoziationen an russische wie griechische Klänge ruft das Tamburica-Orchester hervor: Die jugendliche, elf Köpfe starke Truppe des kroatischen Musikvereins Matija Gubec ist bestückt mit allerlei Varianten der Tambura, einem in Gitarren- wie Birnenform gebauten Saiten-Zupfinstrument, das mit seinen Tremoli eben an eine Balalaika gemahnt. Wild-trotzige Mitklatschlieder, aber auch ruhigere Kost serviert das Orchester. Die Texte kreisen meist um Liebe, erinnern an die Heimat, aber auch den Fall von Vukovar im Jugoslawien-Krieg. Trotz kroatischer Traditionspflege: „Wir sind offen für jeden“, sagt Marko Deveric.
Waren diese Gruppen Sindelfinger Eigengewächse, bedeutete eine Aufsehen erregende Performance von Breakdancer Besart Kuqi und dem virtuos Schlagzeugbatterien und Scratch-Effekte mit dem Mundwerkzeug simulierenden Beatboxer George Sidiropoulos Nachbarschaftshilfe aus Böblingen: Der den einarmigen Handstand und Flickflack locker meisternde Besart bietet im Böblinger Jugendhaus Casa Nostra Breakdance-Kurse an.
Aus Kusterdingen kommt Nina Z., die als Gauklerin Minna mit schaurigen, durch große bluttriefende Bilder auf einer Staffelei optisch unterlegte Moritaten eine beachtliche Lachernte einfuhr. Von Trommelduellen geprägt, garniert mit westafrikanischen Gesängen und flankiert von Instrumenten wie afrikanischer Harfe (Kora) oder afrikanischem Xylofon (Balafon) war das Finale mit drei Musikern der afrikanischen Gruppe „Safnama“.