Erschienen am Samstag, 18. März 2017
Anlass: Interview mit Dieter Ilg im Vorfeld der Jazztage
Das Interview: Der Freiburger Jazzmusiker Dieter Ilg spricht über seinen Solo-Auftritt im Pavillon, über Mut und guten Wein
Die IG Kultur präsentiert wieder einmal etwas Besonders. Vom 24. bis 29. März veranstaltet der Verein zum dritten Mal die Sindelfinger Jazztage im Pavillon. Als erster Musiker tritt am kommenden Freitag der renommierte Kontrabassist Dieter Ilg (55) auf – und zwar solo.
Von Robert Krülle
Hallo Herr Ilg, mit dem großen Saxofonisten Charlie Mariano, der 2009 gestorben ist, waren Sie bereits zweimal als Duo im Sindelfinger Pavillon. Welche Erinnerungen haben Sie daran?
Zunächst muss ich sagen, dass mir die musikalische und menschliche Begegnung mit Charlie unvergesslich bleibt. Wir waren fast 20 Jahre auf der Bühne liiert – für mich eine tolle Erfahrung. Und den Pavillon? Den habe ich als Würfel in Erinnerung. Vor allem weiß ich noch, wie wir in diesem Mini-Backstage-Raum saßen, das war eher eine Rumpelkammer. Ich habe noch Bilder vor meinen Augen, wie ich mit Charlie da drin sitze und er Witze erzählt.
Aus dem Duo-Projekt ist nach Marianos Tod ihr Solo-Projekt entstanden?
Die Verbindung mit Charlie war sehr stark. Und als er starb, blieb ich eben übrig. Man könnte sagen, es war folgerichtig, dass ich eine Zeit lang alleine weitergemacht habe. Ich habe ins Programm auch ein Stück von Charlie Mariano übernommen. Das erinnert an die gemeinsame Zeit.
Kontrabassisten bestreiten normalerweise keine Solo-Abende. Wie groß ist diese Herausforderung?
Naja, das ist schon etwas Besonderes, aber grundsätzlich für mich keine viel größere Herausforderung als sonst. Die Zwiesprache findet eben nicht mit anderen, sondern nur mit mir statt. Wobei – eigentlich sind wir ja zu zweit, ich und das Instrument. Der Bass ist mein Partner.
Wie gehen Sie an so einen Abend ran? Steht das Programm fest oder spielen Sie eher nach Intuition?
Eine Mischung aus beidem. Natürlich setze ich mir einen Rahmen – auch wenn es da erst einmal nur um eine Aneinanderreihung von Stücken, also „Songs", und Improvisationsvorlagen geht. Dann entscheidet auch der Moment, was passiert. Ich habe die Möglichkeit, das Konzert jeden Abend anders zu gestalten. Und letztlich wird auch jeder Abend anders. Aber ich brauch schon einige Vorbereitung. Ich fahre ein paar Tage vor dem Sindelfinger Konzert in Klausur auf einen Bauernhof – da bin nur ich und der Bass.
Als Sie mit dem Solo-Projekt angefangen haben, gab es viele Konzerte – inzwischen ist die Nachfrage abgeflaut. Bislang steht für 2017 nur das Solo-Konzert im Pavillon in Ihrem Jahreskalender. Spricht das für den Mut der IG Kultur als Veranstalter?
Ja, absolut. Es gibt nicht viele Veranstalter, die sich das vorstellen können. Und man sieht: Dieser Mut ist nicht unbedingt in Großstädten zu finden. Für mich persönlich wären eigentlich drei bis vier Solo-Konzerte pro Jahr schön. Da ich in den letzten Jahren fast ausschließlich für mein eigenes Trio akquiriere, reduziert sich die Zahl der Solokonzerte von alleine.
Sie haben sich mit Ihrem Trio auf drei Alben mit klassischer Musik beschäftigt und Verdi, Wagner sowie Beethoven verjazzt. Warum?
Ich spreche nicht gerne von „verjazzen“ – diese Silbe „ver“ hört sich an, als würde man etwas kaputtmachen. Ich „bearbeite“ die Musik, diese Formulierung finde ich passender. Und der Grund ist einfach: Ich komme ja ursprünglich aus der Klassik, habe in Freiburg klassischen Kontrabass studiert. Deshalb ist für mich die Beschäftigung mit diesem Material meine Spielwiese, mein Zauberwald. Für mich hat sich das ganz organisch entwickelt. Vor 20 Jahren nahm ich Volkslieder als Vorlage für meine persönlichen Jazzinterpretationen, zuletzt eher klassische Kompositionen. Wenn ich diese Musik in meine Sprache transformiere - das bin letztendlich ich.
Spielt die Klassik auch beim Solo-Konzert eine Rolle?
Ja, natürlich. Ich spiele auch eine klassische Komposition und ein Volkslied. Zudem fällt mir, wenn ich improvisiere, oft Musik in die Hand, die aus einem klassischen Werk stammt. Das ist dann keine Absicht, sondern ich habe das Material einfach intus – aus der Sicht des Jazzkontrabassisten, der ich immer werden wollte.
Sie haben mit vielen Größen und besonderen Musikern zusammen gespielt und tun es heute noch: mit dem Sänger Thomas Quasthoff, dem Pianisten Wolfgang Dauner, dem Trompeter Till Brönner, dem Posaunisten Nils Landgren und vielen mehr – gibt es für Sie in Ihrer Karriere da einen Höhepunkt?
Das ist natürlich schwierig zu beantworten, es gab viele Höhepunkte. Die Zeit als festes Mitglied im Quintet des amerikanischen Trompeters Randy Brecker von 1987 bis 1989 war für mich sehr prägend. Ich war jung und der einzige Deutsche unter vier Amis. Ich wurde wie ein Familienmitglied aufgenommen, wir waren viel auf Tournee. Da erfuhr ich einschneidende musikalische Erlebnisse und lernte enorm viel auch über das Business. Ansonsten gab es viele schöne Momente mit meinem Trio, aber ebenso mit unzählig vielen anderen Musikern und Veranstaltern. Ich empfinde all diese Geschehnisse und Möglichkeiten, die sich mir boten, insgesamt als großen Luxus. Wobei das meiste hart erarbeitet ist, nicht nur musikalisch. Denn ich mach auch das ganze Organisatorische selbst. Ich bin mein eigener Agent und Manager. Es ist extrem mühsam, sich immer selbst verkaufen zu müssen. Auf der anderen Seite mag ich es, mit den Leuten direkt in Kontakt zu kommen.
Geht denn ein Jazzmusiker ihres Renommees eigentlich finanziell sorgenfrei durchs Leben? Oder müssen Sie jeden Monat die Kontoauszüge prüfen?
Also, ich bin froh, dass ich mit dem Beruf, den ich gewählt habe, gut klar komme. Ich habe keine finanziellen Nöte. Ich muss schon schauen, dass was reinkommt, aber es läuft.
Spielen Sie eigentlich auch E-Bass?
Nicht mehr. Als Jugendlicher habe ich das gerne gemacht, so bis Anfang 20. Aber der Kontrabass ist nun mal mein primäres Instrument. Seine Herausforderungen ziehen mich stärker an. Allerdings liebe ich den E-Bass immer noch!
Aber Sie spielen ihn doch nicht mehr?
Na und? Ich liebe ja auch Fußball und spiele nicht selbst (lacht).
Ich habe gelesen, dass Sie Weinliebhaber sind. Gehört denn zum Jazzkonzert ein guter Wein?
Für mich jedenfalls erst danach! Mit Alkohol spielen ist tabu. Wenn ich nervös werde, löse ich die Anspannung mit Atemübungen oder Leberwurstbrot. Aber die Zuhörer dürfen gerne auch schon vor dem Konzert ein Gläschen trinken.
Haben Sie denn eine Wein-Empfehlung?
Also, ich bin ein Fan von Riesling. Da gibt es zum Beispiel guten von der Saar. Natürlich auch aus Baden. Besonders empfehlen kann ich momentan ein Weingut in Oppenheim in Rheinhessen, das heißt „Bürgermeister Carl Koch“. Die haben den Oppenheimer Sackträger, 2014, Spätlese – ein Traum. Der ist leider ausverkauft, aber ich habe zum Glück noch ein paar Flaschen im Keller.