Erschienen am Mittwoch, 5. Oktober 2016
Anlass: Wendrsonn 01.10.2016
Sindelfingen: Schwaben-Rock mit der Band „Wendrsonn“ im Pavillon
Heiliger Bimbam Abendland
Von unserem Mitarbeiter Thomas Volkmann
Grachmusikoff, so ist im Sindelfinger Pavillon zu hören, sollen die Schnauze vom Musikgeschäft voll haben und 2017 auf Abschiedstour gehen. Albrecht Barth von der IG Kultur Sindelfingen/Böblingen hat diesen Hinweis der Begrüßung einer anderen Schwaben-Rock-Band vorangestellt. Diese heißt Wendrsonn und mausert sich mit ihrem Mundartrepertoire und einem anspruchsvollen Folkrock-Cross-over zum lohnenden Liveact.
Dass Wendrsonn - Dialektspezialisten haben sicher schon die schwäbische Entsprechung für Wintersonne im Bandnamen herausgelesen - bereits über zahlreiche Anhänger verfügen, hat man im Pavillon durchaus feststellen können. Zum einen, weil die Macher der IG Kultur wieder einmal zahlreiche Besucher begrüßen durften, die erstmals ein Konzert in der Spielstätte an der Calwer Brücke frequentierten, zum anderen an der in roten Wendrsonn-Freundeskreis-T-Shirts erkennbaren Fans, die längst nicht die einzigen waren, die Texte mitsangen.
Albrecht Barth hatte allerdings eine etwas höhere Tanzbereitschaft erwartet (zusätzlich auch rund 100 Besucher mehr), Bandgründer Markus Stricker kam die von der Bühne weggerückte Sitzlandschaft vor, als seien Wendrsonn da in einen Sitzkreis der Waldorfschule geraten. Erst beim instrumental-fetzigen Traditional eines alten Bauerntanzes kam für einen kurzen Moment Bewegung auf die Tanzfläche, ansonsten genoss man die unterhaltsame Show dann doch lieber entspannt vom Stühlchen aus.
Würde man die 2005 in Urbach am Rande des Schwäbischen Waldes gegründete Band mit den aus dem oberschwäbischen Bad Schussenried stammenden Grachmusikoff auf Gemeinsamkeiten abklopfen wollen, so wäre neben dem Dialekt und der musikalischen Marschrichtung durchaus auch Inhaltliches zu nennen. In “Winnetou“ singen Wendrsonn über ein Original aus Sulzbach, der, nicht zuletzt dem Alkohol geschuldet, in seiner Zeit hängen geblieben ist - gewissermaßen ein letzter Indianer, von dem auch Grachmusikoff 1980 in „Dr große Biffel“ schon sangen.
Auch Wendrsonn erzählen Geschichten von lokalen Helden und Begebenheiten aus ihrer Umgebung, etwa in der Ballade „Ninna Nanna“ von einem vierjährigen katholischen Töchterchen italienischer Wanderarbeiter, das vor 120 Jahren im Dorfteich ertrunken ist, vom protestantischen Pfarrer aber nicht begraben werden wollte. Auch in „Reigschmeckter“ und „In Muddrs Stüble“ ging’s um Geschichten von Zuwanderung und Integration.
Manches war da zum Lachen, manches ernsthaft und kritisch und immer wieder augenzwinkernd das Selbstverständnis des Schwaben abklopfend. „Heilig Bimbam Abendland“ hieß es treffend im polkaähnlichen „Lied der Schwaben“ mit Banjo und Waschbrettgeschrubbe. Und auch ein rebellischer, wenngleich nicht ganz so anarchistischer Ton wie Grachmusikoff, ist Wendrsonn eigen.
Ihren in zahlreichen Konzerten erprobten Bühnensound gestalten die sechs Remstäler abwechslungsreich und durchaus auch virtuos. Blues und Bluegrass haben da ebenso Platz wie traditionelle Melodien, schwäbische Volkslieder und Partykracher wie „Hocketse“. Schlagzeuger Heiko Peter serviert ein kurzes Drumsolo auf einem Zinkeimerle, Klaus Marquardt liefert an der elektrisch verstärkten Geige Sounds und Effekte, die an die ehemalige Tübinger Folkrockband „Hölderlin Express“ erinnern.
Gesanglich wechseln sich Biggi Binder und Markus Stricker ab, der mit Gipsarm den Bass zupfende Ove Bosch und Bandmitbegründer Michael Schad an diversen Gitarren verrichten ihre Jobs grundsolide, aber schweigend. Keine Frage: Wendrsonn sind drauf und dran, die Bühnen des Schwabenlandes zu erobern. Grachmusikoff aber, das versprach Albrecht Barth, wird man auf ihrer Abschiedstournee auch im Pavillon noch einmal erleben dürfen.