Erschienen am Mittwoch, 26. November 2014
Anlass: Tour der Sieger
Derzeit sind die aktuellen Kleinkunstpreis- träger Baden-Württemberg auf Tour durchs „Ländle“. Zum Finale machten einige von ihnen am Sonntag Station im Sindelfinger Pavillon und sorgten für einen hochklassigen Abend: Zu Gast waren Mademoiselle Mirabelle, Roland Baisch und das Duo Suchtpotenzial.
Von Steffen Volkmer
SINDELFINGEN. Vor voll besetztem Haus eröffnete der Stuttgarter Comedian Özcan Cosar, dem die Rolle des Moderators zufiel, den Abend und präsentierte dabei auch einige Teile seines Programms. Dabei ging es unter anderem um Flugangst und Integrationsprobleme, aber er klärte auch auf, wie die Preisvergabe beim Kleinkunstpreis ablauft: „Da sitzt die Jury zusammen, bei Bier und Wodka – irgendwann blasen sie in die Röhrchen und lesen 1,8 Promille ab. Und schon hat Bewerber Nummer 18 den Preis.“
Er übte mit dem Publikum auch das Klatschen und Jubeln für die kommenden Kollegen ein, dabei waren die Zuschauer bereits jetzt ordentlich auf Touren gekommen. Und das, obwohl Özcan Cosar seinen Job schwererkältet erledigen musste – nach der Show ging der Stuttgarter Comedian direkt zum Notdienst der Apotheke, um sich mit Medikamenten einzudecken. Vor dem Mikro überspielte er sein Leiden aber perfekt – eben ein echter Vollprofi.
Als erste Preisträgerin kam Mademoiselle Mirabelle auf die Bühne mit einem wahren Knaller-Auftritt: einem in einer Konfetti-Salve explodierenden Baguette. Sie präsentierte deutschsprachige Chansons mit hinreißendem Französisch-Akzent und viel inhaltlichem Witz. In ihren Überleitungen thematisierte sie immer wieder die Lust am Leben: „Lebensfreude ist, wenn immer die anderen schuld sind“. Und darin hätten es die Franzosen zur Meisterschaft gebracht, war eine ihrer lehrreichen Erkenntnisse. Die freche Französin kann man im Übrigen in nächster Zeit öfter hier sehen: Sie wird im Rahmen des Böblinger Comedy-Festivals auftreten und auch an diesem Freitag beim Comedy-Festival in Ehningen. „In Sindelfingen und Böblingen spiele ich nur Teile meines Programms“, erläuterte sie, „in Ehningen wird das ein abendfüllender Auftritt. Ich habe ein großes Repertoire, da wird es kaum Überschneidungen geben.“ Genug Gelegenheiten also, Mademoiselle Mirabelle noch einmal zu sehen – aber Vorsicht: Sie holt sich gerne „Assistenten“ aus dem Publikum ins Scheinwerferlicht.
Das Duo Suchtpotenzial bestritt das weitere Programm bis zur Pause. Die beiden Musik-Kabarettistinnen (die hochschwangere Ulmerin Ariane Müller am Klavier und die Berlinerin Julia Gámez Martin mit Gitarre und Akkordeon) besangen das ganze Spektrum der Suchtfaktoren und haben selbst – nomen est omen – hohes Suchtpotenzial. Alkopop nennen sie ihr Genre: „Musik, die unter Alkoholeinfluss entstanden ist oder unter solchem gehört werden sollte.“ Mit selbsterklärenden Liedtiteln wie „Nimm mich“, „Ich will ‘nen Bauern“ und „Penisneid“. Begeisternd war neben den Texten das handwerkliche Können der musicalerfahrenen Künstlerinnen.
Roland Baisch als „der Graue Star“ und sein Gitarre spielender Partner Frank Wekenmann brannten dann ein Humorfeuerwerk aus Pointen und Gesang ab, das kaum Zeit zum Atmen ließ. Die Gag-Dichte bei dem silberhaarigen Komik-Profi, der auch schon Texte für Harald Schmidt geschrieben hat und häufig im Theaterhaus Stuttgart auftritt, war so hoch und die Abfolge so schnell, dass dabei nicht ins Gewicht fiel, dass einige der Pointen nicht mehr ganz taufrisch oder vom Witze-Wühltisch kamen. Wie zum Beispiel: „Ich weiß, wie man mit Jazz ganz schnell eine Million machen kann – man fängt mit zwei Millionen an.“ Oder bei seiner Darstellung des Humor-Gurus Mahatma Gaudi, der Weisheiten wie „Ma‘ hat ma‘ Gaudi, ma‘ hat ma‘ keine“ aufwartete. Beim Publikum hatte „der Graue Star“ jedenfalls einen Stein im Brett.
Zum Schluss gab es eine Zugabe. „Mehr können Sie nicht erwarten“, so die Erklärung des fantastischen Moderators Cosar: „Sie haben ja schon für 17 Euro gelacht, und der letzte Euro kommt jetzt“. Dafür fanden sich alle Künstler nochmal auf der Bühne ein und sangen gemeinsamen eine von Mademoiselle Mirabelle bearbeitete Version von „Stand by Me“. Ein passender und mit viel Applaus bedachter Abschluss eines tollen Comedy-Abends in Sindelfingen.
Das Publikum zeigte sich begeistert, darunter auch Christa Gögelein, eine von drei Kartengewinnern der KREISZEITUNG. „Uns hat der Abend sehr gut gefallen“, erklärte die Böblingerin, die mit ihrem Mann im Pavillon zu Besuch war, „die waren alle wirklich gut. Aber – ganz ehrlich – mein Favorit war der Moderator.“