Kanadisches Vokalquintett Eh440 überzeugt in Sindelfingen.. von Bernd Epple

KREISZEITUNG Böblinger Bote

Erschienen am Mittwoch, 25. November 2015

Anlass: Eh440

Kanadisches Vokalquintett Eh440 überzeugt in Sindelfingen - Urban Songbirds in Holzgerlingen VON BERND EPPLE

SINDELFINGEN. Eh...what? Noch nie gehört! Ist das ein
Lebensmittelzusatzstoff? So mag es manchen ergehen, die auf den Namen
dieser Truppe stoßen. Doch am Samstagabend hat das Quintett es vor
vollem Haus geschafft, den Sindelfinger Pavillon schier aus den Angeln zu
heben. Der Vereinsvorsitzende der IG Kultur, Ingo Liedtke, klärte vor der
Show auf, was es mit der Namensgebung auf sich hat. "Eh" sei schlichtweg
ein in Kanada gebräuchliches Satz-Anhängsel. 440 stehe für den
Kammerton A, der auf 440 Hertz schwingt.
Dann betreten zwei Sängerinnen, zwei Sänger und ein Beatboxer die
Bühne und sorgen für einen grandiosen Auftakt. Im Handumdrehen
schwappt eine Welle von Energie und Frische auf das Publikum über.
Allein Beatboxer Luke Stableton sorgt schon für einen Groove, dem sich
kaum jemand entziehen kann. Folgerichtig klatschen die Besucher mit und
sind schnell Teil der Show. Sängerin Janet Turner outet sich als Michael-
Jackson-Fan und übernimmt die Solostimme bei "The Way You Make Me
Feel". Hier zeigt sie, was sie drauf hat, während sie sich im Laufe des
Abends eher einfühlsam im Hintergrund hält.
Schließlich ist die "Rampensau" und Powerfrau Stacey Key diejenige, die
auch vokal an vorderster Front durch den Abend führt. Sie ist des
Deutschen natürlich nicht mächtig, wirft aber ab und zu ein paar Brocken
ein, die sie während der Deutschlandtour gelernt hat, wie zum Beispiel
eben "Rampensau". Wie das gesamte Ensemble strahlt sie Witz,
Bühnenpräsenz und Entertainer-Qualitäten auf höchstem Niveau aus. Von
ihrer Stimmgewalt ganz zu schweigen; auch wenn sie sich am Ende beim
US-Wettbewerb "America's Got Talent" verabschieden musste. Stacey Key
führt das aber eher auf ihre kanadische Nationalität zurück als auf die
Musikkenntnisse von Jurymitglied Heidi Klum. Und die Deutschen seien
dadurch auch nicht in ein schlechtes Licht geraten. Sie wird nicht müde,
immer wieder zu betonen: "Germany is awesome!"
Awesome, also fantastisch, ist auch der Auftritt von Sänger Jake Stern.

Dieser kann deutsche Wurzeln aufweisen und wollte sich auf der Tour mit
seinen minimalen Sprachkenntnissen hervortun, erzählt Key. Das Ergebnis:
Er habe nach der Bestellung in einem Restaurant ziemlich seltsame
Speisen serviert bekommen. Bei Gnarls Barkleys "Crazy" schraubt er sich
mit seiner grandiosen Stimme in absurde Höhen, sodass Bassist Joe Oliva
schließlich konstatiert: "He sings like a girl!"
Stacey Key bringt mit ihrer Hochgeschwindigkeits-Sprechgesang-Einlage
richtig Pfeffer in das Menü der schönen Stimmen, bevor der Soloauftritt
des Beatboxers Luke Stableton den Saal endgültig zum Kochen bringt. Es
scratcht, wummert, pfeift und klopft in allen erdenklichen
Soundvariationen. Wo kommen all diese Klänge her, die zur gleichen Zeit
das Ohr erreichen? Wer mit der Materie nicht vertraut ist, wird mit diesem
Geheimnis wohl weiterleben müssen.
Jake Stern bewegt sich und singt wie Michael Jackson. In der Pause sieht man im Publikum nur strahlende Gesichter, und aus den
Unterhaltungen sind Wortfetzen wahrzunehmen wie "der absolute
Wahnsinn", "super Show", "erfrischend" und "wie ein Energydrink". Dem
Ehepaar Kallweit aus Holzgerlingen zum Beispiel gefällt der moderne
Sound mit Beatboxing, die gigantische Bühnenperformance und dass die
Show durch den Einbezug des Publikums zu einer interaktiven Geschichte
wird. So springt Stacey Key ins Publikum, als sie einen Mann entdeckt,
den es nicht mehr auf dem Stuhl hält, nimmt ihn an die Hand und
gemeinsam legen sie ein Tänzchen aufs Bühnen-Parkett.
Dann sagt sie, dass sich Jake Stern beim nächsten Stück zum
"Frauenschwarm" machen könne, wenn er seine Tanzkünste zeige. Bei
Jacksons "Billy Jean" gelingt ihm dies eindrucksvoll, indem er Frauen aus
dem Publikum mit Mimik und Gestik bezirzt. Mehr noch - neben Jacksontypischen
Bewegungen hat er auch keine Mühen, stimmlich so
überzeugend wie das Original rüberzukommen. Schließlich geben die fünf
eine Nummer ohne Mikrofone zum Besten, was ihre stimmlichen
Fähigkeiten besonders unterstreicht. Bei der Zugabe "All About That Bass"
von Meghan Trainor tanzt der Saal, man singt mit - eine einzige große
Party.
Die Kanadier von Eh440 waren dabei nicht die einzige A-cappella-
Künstler, die am Samstag aufgetreten sind. In der Burg Kalteneck in
Holzgerlingen waren die Urban Songbirds zu Gast. Auch hier versprühten
Lioba Nave, Willm Hinrichs, David Dickerson und Christoph Lühr bei
ihrem Konzert viel Spaß. Das vierköpfige Ensemble gefiel mit seinem Mix
aus Rock, Pop, Funk und anderen Stilen. Das Quartett hat bereits
bundesweit bei Auftritten begeistern können - so auch in Holzgerlingen.
Die gleichzeitigen Auftritte der beiden Gruppen in Sindelfingen und
Holzgerlingen mögen Zufall sein, sie zeigen aber auch, wie sehr gut
gemachter A-cappella-Gesang geschätzt wird.

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