Erschienen am Samstag, 19. März 2016
Anlass: Jazztage 2016
Sindelfingen: Gestern starteten die zweiten Sindelfinger Jazztage der IG Kultur / Heute „SBO“, Finale morgen mit Barbara Dennerleins Trio
Königin auf steinigem Acker
Von unserem Mitarbeiter Bernd Heiden
1989 reiste ein ganz Großer der internationalen Jazzszene nach Sindelfingen an. Der Trompeter Randy Brecker spielte mit seiner Band im Pavillon an der Calwer Straße, dort, wo die IG Kultur ihr Domizil hat. Mit den Jazztagen dieses Wochenende, die Barbara Dennerlein morgen beschließt, knüpft der Verein an vergangene Zeiten an.
Einen Randy Brecker hat sich IG Kultur damals noch leisten können, bis der Verein wegen der ersten städtischen Finanzkrise viel kleinere Brötchen backen musste. Morgen kommt nun mit der Organistin Barbara Dennerlein eine Jazz-Königin, deren Name internationalen Glanz verbreitet.
Zumindest bietet die IG-Kultur dem Jazz ein neue Plattform. Denn Barbara Dennerlein bildet mit ihrem Trio den Abschluss der zweiten Sindelfinger Jazztage, die gestern Abend mit dem Quartett von Ferenc und Magnus Mehl sowie der „Flüstertüte“ gestartet sind.
Der Versuchsballon zum 35-jährigen Bestehen der IG Kultur 2015 war ein Erfolg. „Regionale Größen plus ein Aufhänger, das kam gut an“, sagt rückblickend Antonio Bras, zweiter Vorsitzender der IG-Kultur. Der Aufhänger zur Premiere 2015 hieß Wolfgang Dauner am Flügel und sein Sohn, der Schlagzeuger Flo Dauner. Die Dauner-Agentur war damals wegen Auftrittsanfrage auf die IG-Kultur zugekommen.
Beim Aushängeschild der diesjährigen Jazztage lief die Sache anders. Antonio Bras nahm zu der Jazzorganistin über die sozialen Medien Kontakt auf. Für Dennerlein war es kein Unbekannter, der da die Fühler nach ihr ausstreckte.
In dem Jahr, als ein Randy Brecker in Sindelfingen spielte, erlebte Antonio Bras erstmals die Jazzmusikerin beim Zelt-Festival in Freiburg, wo er 1989 noch in einem Punk-New-Wave-Laden Platten auflegte. Dort ging es Antonio Bras wie den meisten, die Dennerlein erstmals live erleben.
„Die Bassbegleitung hat mich total fasziniert“, spricht er Dennerleins gleichzeitiges Spiel von Händen und Füßen mit virtuoser Basspedalbedienung an. 1991 knüpfte er erste Kontakte zu Barbara Dennerlein in der Kölner Philharmonie, später noch bei deren Auftritten 1992 und 1994 in der Ölmühle, einer etablierten Jazz-Bühne im hessischen Langen bei Darmstadt.
Als die Jazzerin anfing ihre Hammond-B3-Orgel mit zusätzlichen Klangmöglichkeiten wie Samples und Synthesizer elektronisch zu erweitern, fragte Antonio Bras, der sich seit Mitte der 1980er Jahre mit Synthesizern und elektronischer Musik beschäftigt, zwecks etwaiger Zusammenarbeit an. Daraus wurde nichts.
Als Albrecht Barth und Klaus Haidle, die Protagonisten der Programmzusammenstellung für die zweiten Jazztage, nun ihre Programm-Entwürfe vorlegten, brachte Bras schließlich die Organistin ins Spiel mit dem Hinweis: Neben kleineren Highlights sollten die Jazztage auch etwas ganz Besonderes bringen.
Anders als im Vorjahr, wo das Dauner-Duo noch im Odeon auftrat, wird der diesjährige Höhepunkt auch auf der Stammbühne im Pavillon am Calwer Bogen stattfinden. Denn Barbara Dennerlein bringt ihre Orgel selbst mit. Für den Dauner-Auftritt brauchte die IG-Kultur dagegen einen Flügel. Angesichts der Transportkosten zog man lieber gleich in die SMTT, in der nicht nur ein Flügel bereit steht.
„Ich war am richtigen Moment am Telefon“, erinnert sich Albrecht Barth exakt an den Zeitpunkt, wie es vor 26 Jahren zum Brecker-Auftritt kam. Brecker kam nach Deutschland und sein Management suchte noch nach Auftrittsmöglichkeiten. Barth, langjähriger Kassier und Vorsitzender der IG-Kultur, hatte damals noch sein Büro im Jugendhaus Mitte. Breckers Gastspiel sei denn auch das erste und einzige Mal gewesen, dass der SWR ins Pavillon anreiste, erzählt Albrecht Barth. Zum Verdruss der Sindelfinger aber nur, um ein Interview mit dem Starjazzer zu führen wegen dessen Auftritt in Ludwigsburg.
Auch sonst ist der Brecker-Auftritt in keiner sonderlich guten Erinnerung: Vielleicht gerade mal zwei Dutzend Besucher hörten einst den US-Jazzer und seine Band. So sieht Albrecht Barth Jazz in Sindelfingen eher als steinigen Acker denn als Selbstläufer. „Ich bin gespannt, ob die Leute mitgehen“, sagt er zu den diesjährigen Jazztagen und benennt ein genretypisches Problem. „Es ist leider oft so, dass die Namen der Bands nicht so bekannt sind.“
Über die Zusicherung jedenfalls, da komme eine tolle Band, funktionierten Jazz-Veranstaltungen hier nicht. Auch beim heute Abend auftretenden „SBO – Slavko Benic Orkestr“ verrieten erst die Musiker-Biographien, wie hochkarätig diese Formation sei.
Bleibt abzuwarten, wie die zweite Auflage läuft. Antonio Bras jedenfalls denkt laut darüber nach, das bisher auf ein Wochenende beschränkte Format in Zukunft auf eine Woche auszudehnen. Vorausgesetzt, das Publikum erscheint zahlreicher als zum Brecker-Auftritt anno 89.
Info
Heute Abend setzt „SBO – Slavko Benic Orkestr“ die Jazztage um 20.30 Uhr im Pavillon am Calwer Bogen 36 in Sindelfingen fort mit einem Mix aus Funk, Latin und Jazz. Das Barbara-Dennerlein-Trio mit der Königin der Hammond-Orgel, Fabiano Pereira an der Gitarre und Schlagzeuger Marcel Gustke beginnt am Sonntag, 20. März, um 20 Uhr.
Barbara Dennerlein gilt in der Jazzszene als Königin der Hammond-Orgel und beschließt mit ihrem Trio die zweiten Sindelfinger Jazztage am Sonntag im Pavillon der IG Kultur am Calwer Bogen.