Erschienen am Dienstag, 14. Mai 2013
Anlass: Gee Hye Lee Trio
Das Gee Hye Lee Trio präsentierte im Sindelfinger Pavillon Piano-Trio-Jazz auf höchstem Niveau – Nur der fehlende Flügel auf der Bühne trübt das Klangerlebnis
Hochkarätiger Jazz aus Stuttgart im Sindelfinger Pavillon: Die IG Kultur hatte am Samstag die Pianistin und aktuelle Jazzpreisträgerin Baden-Württembergs, Gee Hye Lee zu Gast. Die gebürtige Südkoreanerin lieferte dicht verwobenen Trio-Jazz, der sich vor den großen Nummern in der Branche keineswegs verstecken muss.
Von Michael Stürm
SINDELFINGEN. Die brachialen Geradeaus-Swinger, die impressionistischen Geschichten-Erzähler, die tiefblickenden Sezierer, die komplexen Verschachtler und die experimentellen Neutöner: Alle sind sie schon da. Wer auf dem dicht besetzten Markt des Pianotrios ein Alleinstellungsmerkmal sucht, tut sich schwer. Die Hauptströme sind gleichermaßen besetzt wie die Nischen, und nicht immer ist die bemühte Neuerung auch gleichbedeutend mit vielversprechender improvisierter Musik.
Dass es auch ohne den Ballast eines exponierten Personalstils geht, beweist Gee Hye Lee. Die 36-Jährige, die das Musikstudium vor 17 Jahren nach Stuttgart verschlagen und die sich als umtriebige Session-Organisatorin mittlerweile zu einem Aktivposten der Jazzszene in der Stadt entwickelt hat, versucht erst gar nicht, sich einen eigenen Stil aufzupappen.
Wie wohl sie sich in verschiedenen Kategorien des Trio-Genres heimisch fühlt, wird im gut gefüllten Pavillon schnell deutlich. Da steht die pointierte Swingnummer, die sie locker-luftig mitten in die ungerade Taktzahl hineinstartet neben der soundträchtigen Kollektivimprovisation, da stellt sie ein Riff in den Raum über das das Trio seine Ideen spinnt, da entwickeln sich eng verdichtete Klangräume aus einem einzigen Akkord, um in rauschhaften Assoziationen der Band zu enden und da kommt der ausgeprägte Hang zur Melodie immer wieder zu seinem Recht.
Wie beim Opener, Stevie Wonders zauberhafte Ballade „My cherie amour“: Das von Bass und Schlagzeug feinfühlig und doch eindringlich getragene Thema macht gleich zu Beginn deutlich, dass hier drei Musiker miteinander spielen, die sich als gleichberechtigte Einheit verstehen, ihre Ideen teilen, sich auf die spontanen Eingebungen der anderen einlassen und diese weiterentwickeln. Ebenso klar wird, dass hier kein Platz ist für die Egomanen der Hoppla-jetzt-komm-ich-Fraktion an den Instrumenten.
Wer auf einem solch ausgeprägten Intensitätsniveau miteinander kommuniziert, muss ein blindes Verständnis für die Mitmusiker besitzen. Mit Bassist Markus Bodenseh und Drummer Sebastian Merk spielt Lee schon viele Jahre zusammen. Hörbar: Obwohl Bodenseh nicht zum aktuellen Trio zählt und auffällig an den Notenblättern klebt, greift er auf den dicken Saiten kreative Linien und setzt mit dezenten elektronischen Soundverfremdungen Akzente. Sebastian Merk erweist sich als überaus präsenter Rhythmusgeber, der den Puls permanent spüren lässt, den Beat mit komplexen metrischen Figuren umspielt und auf diese Weise dem Spiel fühlbaren Druck verleiht, ohne dabei in trommlerische Muskelspiele zu verfallen.
Auch wenn die drei Musiker nicht ganz die ultimative Verzahnung der Pianojazz-Lichtgestalt Bill Evans kultivieren oder die letzte kühne Akkordverschiebung eines Keith Jarrett vermeiden, wird der souveräne und elegante Umgang mit Melodien, Harmonien und Rhythmen deutlich. Hierfür liefern die Musiker jede Menge selbst geschriebenes Material – Kompositionen mitten im modernen Jazz, die mit plötzlichen Tempo- und Dynamikwechseln, Breaks und kniffligen Unisono-Läufen genügend Klippen und Untiefen vorhalten.
Durch diese fegt Gee Hye Lee mit verblüffend eleganter Leichtigkeit. Ihre knallig roten Fingernägel fliegen im Formel 1-Tempo über die 88 Tasten, um anschließend das rasende Spiel mit mächtigen Akkorden zu blocken, nehmen sich in den Balladen zurück und tupfen dann sanfte, nachdenkliche Töne und eindringlich perlende Melodieketten.
Limitiert wird dieser virtuose Jazzabend nur davon, dass die Veranstalter gerade für ein Piano-Trio, bei dem es auf Dynamik, Tonvolumen und Transparenz ankommt, es nicht geschafft haben, einen Flügel aufzubieten. So geht Vieles im Schepper-Sound und schwachbrüstigen Klang des dieser Musik nicht gewachsenen Instrumentes unter und manche pianistische Feinheit bleibt auf der Bühne.
Gee Hye Lee nimmt's mit professioneller Unbekümmertheit. So ähnlich muss sich wohl ein Ferrari auf dem Feldweg fühlen.