Originelle Schnapsideen

SZ / BZ

Erschienen am Samstag, 25. Februar 2017

Anlass: Suchtpotenzial 19.02.2017

Sindelfingen: „Suchtpotenzial“ traut sich im Pavillon einiges
Originelle Schnapsideen

Von unserem Mitarbeiter Thomas Volkmann

Für Wacken zu brav und fürs Altersheim zu laut, zu heiß für Kabarett und zu Mainstream für Berlin, zu fett für Ballett und für Kindergartenshows letztlich zu versaut – so lässt sich auf die Schnelle das Duo „Suchtpotenzial“ im Pavillon charakterisieren.

Die Silben von „Sindelfingen“ sind eine Steilvorlage für einen noch zu gründenden Chor namens „The Sindelfinger Findelsingers“. Mag sein, dass ihnen die Einfälle im angedüdelten Zustand leichter einfallen, Müller und Gámez Martin übertreiben dann aber doch etwas, wenn sie sagen, ihr Programm „Alkopop 100 Volumen Prozent“ wäre nur betrunken zu ertragen. Ihr Programm knallt auch mit Tee. Mal temperamentvoll, mal enthemmt und ab und an auch melancholisch singen und spielen sie sich durch den Abend und hüllen ihre herrlich-originellen Schnapsideen dabei in ein Jazz-, Pop oder auch Chansongewand.

Die blonde Ariane Müller an Klavier und Gitarre und die brünette Julia Gámez Martin mit ihrem mit allen Wassern der Sangeskunst gewaschenen Organ thematisieren ihre Themen auf ungenierte Weise. Im Lied „Penisneid“ ärgern sie sich, dass Frauen bei starkem Blasendruck nicht einfach strullen können, wann und wohin es ihnen beliebt, nennen in „Frau sucht Bauer“ luststimulierende Argumente fürs Landleben.

Berlinerin mit spanischen Wurzeln die eine, Schwäbin im Hauptstadtexil die andere, haben sie als „Schwabinerinnen“ Frieden geschlossen und feiern dies mit einer Portion frittierter „Spätzle-Schranke“ mit Ketchup und Majo. Toll auch, wie sie sich durch eine Fülle von Musik- und Bühnenstilen parodieren, nicht nur musikalisch, sondern auch mit genretypischen Gesten wie Headbangen à la Wacken, dramatischen Kinski-Zitaten oder überperformativen Ausflügen ins Opern- oder Musicalfach.

Es gefällt, dass „Suchtpotenzial“ so sind, wie sie sind – ein Glücksfall nämlich für kleine Kabarettbühnen. Mal frech und albern, niemals unterirdisch, musikalisch und stimmlich versiert, originell in ihren Einfällen. Man lacht mit ihnen, man lacht nicht zuletzt auch über sich selbst. Schön, dass das Sindelfinger Publikum sich einlässt auf die spontanen Späße. Als Hausfotograf Eugen J. Mayer den Bereich vor der Bühne quert und Müller aus dem Takt bringt, wünscht sich das Duo, dass er bei einem wiederholten Kreuzen doch wenigstens im Takt tanze oder sich eine Polonaise ergebe. Genau das geschieht dann in der zweiten Hälfte auch.

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