Erschienen am Dienstag, 22. März 2016
Anlass: Jazztage: Konzert Dennerlein
Am vergangenen Wochenende hat die IG Kultur im Pavillon an der Calwer Straße
zum zweiten Mal die Sindelfinger Jazztage präsentiert. Zum Abschluss der drei
Konzertabende spielte am Sonntag das Barbara-Dennerlein-Trio. Die Zuhörer
erlebten einen unvergesslichen Abend.
Von Bernd Epple
SINDELFINGEN. Was wurde über diese Frau nicht schon alles geschrieben, gesagt oder
gezeigt (zum Beispiel im BR-Dokumentarfilm „Jazz ist mein ganzes Leben“). Lobeshymnen
eilten dem Höhepunkt der Sindelfinger Jazztage vorweg. Am Sonntagabend
konnten sich die Besucher im prall gefüllten Pavillon selbst ein Bild machen.
Dieses Bild zeigte zunächst eine höchst sympathische, adrette Frau, die auch mit 51
Jahren noch sehr jugendlich wirkt. Die Unbekümmertheit und Frische ihrer Ansagen
unterstreicht diesen Eindruck noch. Schon bei den ersten Takten wird deutlich, was
Barbara Dennerlein auszeichnet: Sie macht nicht Musik, sie ist Musik. Jede Faser ihres
Körpers scheint davon durchflutet zu sein. Mit einem verklärten Lächeln im Gesicht
und den ausladenden Bewegungen, die ihr Instrument fordert, taucht sie in die schier
unerschöpfliche Welt der Hammond-Orgel-Klänge ein. Zum Beispiel bei „The Elephant
Blues“. Anders als der Titel vermuten lässt, hat dieses Stück nichts elefantös Schweres,
sondern swingt ordentlich. Mit ihrer Fußarbeit auf den Basspedalen erinnert das beinahe
an Stepptanz. Die Basslinien könnten ebenso gut von einem Kontrabassisten gespielt
sein und treten gar mit den Drum-Figuren des Stuttgarter Schlagzeugers Marcel
Gustke in ein Zwiegespräch.
Den Titel „Sensitivity“ schrieb Dennerlein nach einem Brasilien-Aufenthalt. Fabiano
Pereira wechselt hier von der E-Gitarre zur klassischen Konzertgitarre und
kommt nach seinem Soundcollagen-Intro in einen Bossa-Rhythmus, in den sich das Trio
nun einschwingt. Dabei singt er Unisono-Phrasen mit Dennerleins grazilen Orgelläufen.
Das Trio ist bestens eingespielt. Die Organistin hat sichtlich Freude daran, mit
ihren Kollegen zu musizieren – auch wenn es auf der Bühne heiß hergeht. Dafür sorgt
nicht nur die Musik, sondern auch die Scheinwerferhitze: „Das ist wie in der Sauna,
Sie dürfen sich gerne auch ausziehen, ich will auch was seh’n“, flachst Dennerlein.
Zwischendurch gibt es ein bisschen Instrumentenkunde „Woher kommt die Inspiration für meine Musik? Aus dem Leben, den Stimmungen, der Natur . . .“, plaudert sie aus dem Orgelkästchen. Den „Grey May Blues“ habe sie zum Beispiel an einem sehr kalten Maitag
geschrieben. Mit der Musik wollte sie wohl eher einen Kontrapunkt setzen; von trister,
grauer Stimmung ist nämlich allenfalls im Intro etwas zu spüren, dann überwiegen
kochend heiße Hammond-Sounds, die zur Auflockerung mit einem kurzen Schlagzeugsolo
garniert werden. Zwischendurch wird die Orgel plötzlich auf Vibraphon-Sound
umgestellt – Lionel Hampton lässt grüßen. „So kann man auch einen kalten Mai aushalten“,
sagt sie im Anschluss. Spielende Zitronenfalter auf ihrer sonnigen Terrasse dienten als Inspiration für das nächste Stück namens „Four Yellow Butterflies“. Flirrende Töne, Spannung in der Luft, verspieltes Flügelschlagen – die Komposition ist ein Festival der feinen Töne.
Ganz anders wieder ist das funky „Get It On“ geraten. Der Gitarrenrhythmus erinnert
an „Evil Ways“ von Santana, das Solo Pereiras muss sich im Vergleich auch nicht
hinten anstellen. „Ich liebe Blues und ich habe deshalb auch schon viele Blüser komponiert“,
fabuliert Dennerlein mit einem Schmunzeln im Gesicht.
Nach den ersten Noten von „Bluesy“ unterbricht sie, weil sie es an dieser Stelle sich nicht verkneifen kann, ein Loblied auf ihre Hammond B3 zu singen: „Haben Sie das Spucken eben gehört?“ „Ja, super!“, kommt es aus dem Publikum zurück. „Ja, find ich auch“, freut sich Dennerlein. Dann hält sie einen Exkurs über das Instrument, das elektromagnetisch mit Röhren arbeitet und nicht elektronisch, erklärt die Funktion der Zugriegel, Fußpedale, Schweller und den Spezialsound, der zusätzlich über den Leslie-Rotationslautsprecher erzeugt wird. Dieser originäre Hammond-Klang lässt sie an ihrem weit über 50 Jahre alten Instrument festhalten, auch wenn die Mechanik ein wahnsinniges Gewicht verursacht und
die Orgel von Auftritt zu Auftritt geschleppt werden will. Weiter geht’s: „Bluesy“ ist ein klassischer zwölf-taktiger Blues, der schleppend daherkommt, aber viel Improvisationsspielraum bietet. Den nutzt auch Fabiano Pereira weidlich. Solistisch holen Pereira und Dennerlein aus einem relativ simplen harmonischen Strickmuster schließlich alles heraus.
„Solche Veranstaltungsorte müssen unterstützt werden“ Kurz vor Konzertende versäumt es Dennerlein nicht, sich bei den „netten Veranstaltern“ der IG Kultur zu bedanken, die
mit Herzblut außergewöhnliche Künstler nach Sindelfingen holen. „Solche Veranstaltungsorte
müssen unterstützt werden.“
Der „Organ Boogie“ verlangt Dennerleins linkem Fuß dann nochmal alles ab. Sie spielt
die Basslinien eines Boogie-Pianisten. Der Fuß tanzt scheinbar mit Leichtigkeit über
die Pedale. Nach dem Stück kommt aber auch Dennerlein nicht umhin, ihn einmal
kurz auszuschütteln. Wie nicht anders zu erwarten, fordert das Publikum vehement
eine Zugabe. Die gibt es natürlich auch: „Southern Funk“ kommt im West-Coast-
Groove daher. Das vermittelt ein Gefühl wie auf dem Pazifik-Highway 101 mit eingeflochtenen
Reggae-Rhythmen und polyrhythmischen Schmankerln. Hier zieht Dennerlein
nochmal alle Register – nicht nur die der Orgel, sondern auch die ihres Könnens.
Ein Abend, der beim Publikum in bester Erinnerung bleiben wird.