Unmittelbar transportierte Emotionen

KREISZEITUNG Böblinger Bote

Erschienen am Montag, 29. Februar 2016

Anlass: Ladies sing the Blues

Die Blues-Sängerinnen Angela Brown, Scarlett Andrews und Gina Dunn traten am Samstag im Sindelfinger Pavillon auf

von Bernd Epple

SINDELFINGEN. Ist eine Musikform, die sich vornehmlich dreier
Akkorde in einem zwölftaktigen Schema bedient und schon mehr als 100
Jahre auf dem Buckel hat, heute noch interessant? Die Besucherzahl, die
sich am Samstagabend bei der IG-Kultur-Veranstaltung im Pavillon
einfand und für ein volles Haus sorgte, gab die Antwort. Um die 150
Bluesfans wollten "Ladies sing the Blues" erleben. Was die drei
Sängerinnen Angela Brown, Gina Dunn und Scarlett Andrews zusammen
mit Christian Christl am Klavier und Su Loeser am Schlagzeug zu bieten
hatten, kann getrost als "back to the roots" bezeichnet werden.
Da gab es für die modernen Weiterentwicklungen des Blues wie Jazz, Soul
oder Rock'n'Roll keinen Platz. Genau aber dies wollten die Leute hören:
Unmittelbare, transportierte Emotionen, die in ihrer schlichten Präsentation
mit drei unverwechselbaren Stimmen am besten zum Ausdruck kommen.
Schon das Bühnenbild mit Tischchen in der Mitte, flankiert von Klavier
und Schlagzeug, wies darauf hin, dass hier auch auf jeglichen Firlefanz
verzichtet werden sollte.
Die beiden Instrumentalisten Christl und Loeser eröffneten den Abend im
New-Orleans-/Boogie-Stil und schnell wurde deutlich, warum man in
dieser Formation auch auf einen Bassisten verzichtet hatte. Der Bassist war
nämlich Christls linke Hand, und die war den Abend über gut beschäftigt.
Umtanzt wurden die Basslinien mit der ebenso flinken rechten Hand und
unmittelbar transportierte Emotionen der Blick auf die Filzschlägel des offenen Klaviers visualisierte für den Zuschauer, welche Arbeit hier geleistet wurde.
Bevor die Sängerinnen nach und nach die Bühne betraten, versäumte es
Christl nicht, darauf hinzuweisen, dass er aktuell den geilsten Job der Welt
habe: Mit vier Hasen sei er unterwegs und meinte damit wohl nicht seine
Haustiere. Gina Dunn aus Texas eröffnete den Reigen mit "I'm an Evil
Girl" und brachte mit ihrer souligen Stimme und ihren geschmeidigen
Bewegungen das Publikum auch gleich zum Mitklatschen.
Eindeutig zweideutig, im Stil der 20er-Jahre bekleidet, sang und bewegte
sich anschließend Scarlett Andrews lasziv über die Bühne, bevor sich als
Dritte im Bunde Mrs. Angela Brown aus Chicago dazugesellte. Eine wahre
Powerfrau, die sich so raumfüllend präsentierte, dass es einem unmöglich
erschien, die Blicke von ihr zu wenden. Nicht nur ihre Statur, sondern auch
Mimik, Gestik und Bewegung müssen einfach fesseln und so hatte sie
ruck, zuck das Publikum auf ihrer Seite. Ihr Humor wirkte so ansteckend,
dass die Stimmung des weiteren Abends schon vorprogrammiert war.
Die Damen überreichten sich jeweils den Staffelstab, wenn es um
solis-tisch vorgetragene Nummern handelte, während die anderen beiden
fingerschnipsend und lächelnd am Tischchen saßen. Musikalisch änderte
sich bis zur Pause wenig: Blues-Schema, wie man es kennt. Danach
begann Christl mit ersten Akkorden am Klavier die Besucher wieder im
Saal zu versammeln.
Dass auch er gerne singt, demonstrierte er jetzt mit "Nobody Loves You,
When You're Down and Out". Auch Andrews Stimme war nun besser
abgemischt, als vor der Pause, als ihre feine und nuancenreiche Stimme ein
wenig der Stimmgewalt der beiden dunkelhäutigen Sängerinnen zum Opfer
fiel. Jetzt gab sie eindeutig zu erkennen, dass ihre Qualitäten nicht nur in
Hüftschwüngen und Blicken liegen.

Sängerinnen wechselten sich Strophe für Strophe ab

Mit "Stagger Lee" ging Brown schließlich wieder in Publikumskontakt und
bezog dieses nun auch vokal in die Musik ein. Bei "Just a Gigolo" gelang
das auch dem Pianisten, der sich hier ein weiteres Mal als Sänger
präsentierte. "Cry Me a River" wurde von Strophe zu Strophe von einer
anderen Sängerin vorgetragen, um dann wieder alle zum dreistimmigen
Gesang zusammenzuführen.
Die Stärken der Damen lagen allerdings im Sologesang, dem sie durch
ihren sehr individuellen Ausdruck Kraft verleihen konnten. Zur
Chorstimme taugen "Dirty Notes" eben weniger. "The Blues is Life, the
Blues tells the Truth" konstatierte Angel gegen Ende "Der Blues ist Leben,
der Blues erzählt die Wahrheit". Was will man dem hinzufügen? "Let the
Good Times Roll", die erste Zugabe, lässt hoffen, dass die guten Zeiten das
Leben dominieren.
Mit einem Medley aus "Georgia", "What a Wonderful World" und "Over
the Rainbow" verabschiedeten sich die fünf Akteure schließlich von einem
glücklichen Publikum, das ihnen stehend Beifall zollte.

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