Erschienen am Mittwoch, 19. Oktober 2016
Anlass: Sebastian Dracu 08.10.2016
Sindelfingen: Sebastian Dracu und White Daze im Kultur-Pavillon
Von unserem Mitarbeiter Thomas Volkmann
Er weiß, dass seine Technik nicht die sauberste ist. Doch gerade der so entstehende dreckige, rotzige Sound, den Sebastian Dracu in Verbindung mit irre schneller Fingerarbeit auf seiner elektrischen Gitarre hervorzaubert, macht in seinem Fall den Unterschied und ihn zu einem vielversprechenden Künstler an der Blues- und Hardrockfront. Im Vorprogramm des Baden-Badeners haben im Sindelfinger Pavillon White Daze aus Böblingen gespielt.
Wie sich das für eine Band, die sich am Rocksound vergangener Tage orientiert, gehört, haben White Daze inzwischen ein auf Vinyl gepresstes Album im Sortiment. „Revelation“ heißt es. Im Pavillon der IG Kultur offenbart das Trio um die Brüder Marc und Nico Bauer und Schlagzeuger Sebastian Neumeier Ausschnitte dieser auch in seiner Aufmachung den Geist der 1970er Jahre atmenden Scheibe.
Hört man White Daze zu, meint man, wenigstens vier Musiker zu vernehmen. Tatsächlich aber sitzt Nico Bauer in Doppelfunktion hinter einer ganzen Reihe an Tasteninstrumenten. Mit der linken Hand übernimmt er dabei die Basslinien, schafft mit rechts schwebende Orgelflächen, die besonders mit dem Moog-Synthesizer Rockmusikvergangenheit heraufbeschwören.
Deep Purple, Jimi Hendrix und Traffic schimmern da durch, auch Rory Gallagher zählt zu den Vorbildern. Die immer noch jungen Brüder haben sich inzwischen auch in ihrem äußeren Erscheinungsbild den Flower-Power-Jahren anverwandelt. Ihren Blues-Rock lässt das noch authentischer erscheinen. Mit Marc Bauer als Frontmann an Gesang und Gitarre wissen White Daze den Retrosound routiniert vorzutragen.
Der etwa gleichaltrige Sebastian Dracu, im vergangenen Jahr beim deutschen Rock- und Pop-Preis zum besten Gitarristen gekürt, frönt mehrheitlich zwar eher dem Hardrock, eifert insgeheim aber auch seinem Vorbild Jimi Hendrix nach. „Foxy Lady“ und „Redhouse Blues“ stimmt er in Versionen an, die gleichwohl rockiger geraten sind als die Originale, beide jedoch auch das beinhalten, was man als „die persönliche Handschrift“ Dracus bezeichnen muss: einen Gitarrenstil, der sich darum schert, Töne punktgenau zu treffen, dies aber mit einer abnormen Geschwindigkeit in den Tonabfolgen kompensiert.
Die Besetzung mit E-Bass und Schlagzeug lässt dennoch ein wenig Hendrix-Experience wach werden. Dracu, ganz in Schwarz gekleidet und mit Lucifer-Aufdruck auf dem ärmellosen Shirt auf der Teufelswelle reitend, liebt es, sein über die Schultern fallendes Haar immer wieder rockstarmäßig zu schütteln und – wie im bisher wohl wichtigsten Song seiner Karriere „Alive“ – den Ausbruch aus dem Alltag zu zelebrieren.
Mit seiner Bühnenpräsenz hat er durchaus das Zeug, auch größere Säle als den Pavillon zu rocken. Wie der letzte Song seines Sets bewies: Ein stadiontaugliches Stück hat er auch schon im Repertoire.